Pedreres de S‘Hostal
Ein erstaunlicher Steinbruch auf Menorca
Auf einer unserer Fahrten mit dem Leihwagen durch die Insel kamen wir auch an einem Steinbruch vorbei. Von der Straße aus war nur der neuzeitliche Steinbruch zu erkennen, und so wollten wir ein paar Fotos machen, wie heute im Gegensatz zur Vergangenheit Steine abgebaut werden. Dass zu dieser Anlage auch ein weitläufiges Gebiet gehört, das vorzeitliche Steinbearbeitungen enthält, bemerkten wir erst später.
Der Steinbruch ist seit November 1994 stillgelegt, und das Gelände wurde dann vom kulturellen Verein Lithica angemietet, der hier erfreulicherweise viel zum Erhalt investiert und aus dem Gelände eine interessante Sehenswürdigkeit geschaffen hat. Auf diese Art wurde verhindert, dass der Steinbruch ein bloßer Müll- und Schuttabladeplatz wurde. Die Kalksandsteinbrüche Menorcas sind als historisches Kulturgut katalogisiert, die UNESCO hebt sie zu Recht als „Biosphärenreserve“ hervor. Wenn nur überall auf der Welt die Menschen so vorbildlich mit ihrer Vorkultur umgehen würden!
Gleich in der Nähe des Eingangshäuschens hat man einen „Raum für Trockensteinmauern“ errichtet. Es handelt sich um ein quadratisches Gelände, in dem die verschiedenen Techniken der Trockensteinmauern je nach den traditionellen Methoden der Insel anhand von Beispielen gezeigt werden. Damit wird dem Besucher einen Einblick gegeben, wie diese bis heute gebaut wurden und noch werden.
Der alte Steinbruch-Teil
Man kann hier einen Rundgang auf durch Hinweisschilder gekennzeichneten Wegen zu unternehmen und sich über die Geschichte des Gesteinsabbaus zu informieren. Dazu finden sich an jeder Ecke mehrsprachige Erklärungstafeln mit Skizzen, leider nicht auf deutsch.
Bei Pedreres de S‘Hostal handelt es sich um Steinbrüche, die (laut Beschreibung) seit vor ungefähr zweihundert Jahren zum Abbau des Marès-Gesteins dienten. Man ist sich über das Alter jedoch nicht sicher und sagt vorsichtshalber: „Sicherlich übertrifft es zweihundert Jahre“. Marès-Gestein ist ein sehr poröser, durchlässiger Kalksandstein mit unregelmäßiger Konsistenz und farbigen Abstufungen zwischen weiß und ockrigem Goldton. Er ist auf der gesamten südlichen Hälfte Menorcas zu finden und fand vor allem im Bau von Häusern Verwendung.
Pedreres de S‘Hostal ist nicht einfach nur ein Steinbruch. Als das für den Hausbau benötigte Gestein abgebaut wurde, hat man zwei verschiedene Verfahren dafür verwendet. Dadurch ergab es sich, dass diese Kulturlandschaft praktisch in zwei Teile geteilt wurde.
Auf der einen Seite gibt es die alten Steinbruchteile, in denen die Arbeiter auf manuelle Art und Weise mit Hammer und Meißel zugange waren, oder wie es in einer Beschreibung heißt angeblich mit Steinäxten. Viele Teile des Gesteins sind inzwischen durch Pflanzen überwuchert, sodass sich ein einzigartiges Labyrinth aus Gestein und Vegetation ergeben hat. Dieses trägt die Bezeichnung Laberint dels Vergers. Hier findet man insbesondere endemische Pflanzen, die nur an diesem Ort vorkommen und sonst kaum irgendwo auf der Welt angesiedelt sind.
Ein Rundgang durch dieses weitläufige Labyrinth wirkt wie ein Spaziergang in einem mittelalterlichen Garten, da der Verein Lithica überall zwischen den bearbeiteten Felsen liebevoll Gärten angelegt hat, die teilweise mit Brunnen und kleinen Tümpeln versehen richtig märchenhaft wirken. Die alten Steinbearbeitungen erinnern sehr stark an diejenigen an der Küste der Schwesterinsel Mallorca. Auch hier findet man riesige konisch bearbeitete Felswände, die sich nach unten verjüngen. „Treppenstufen“ ohne Sinn, die irgendwo anfangen, irgendwo aufhören und nicht benutzbar sind, sind ebenso vorhanden wie verschachtelte Felsbearbeitungen. Es ergibt einfach keinen Sinn, Felswände sauber zu glätten, wenn man nur Steine abbauen will.
Im Gegensatz zu Mallorcas Felsbearbeitungen kann man hier jedoch deutlich erkennen, dass das Gestein mit manuellen Methoden bearbeitet wurde. Allerdings scheinen auch hier teilweise wie auf Mallorca Geräte mit rund vier Zentimeter dicken Trennscheiben zum Einsatz gekommen zu sein. Das passt jedenfalls so gar nicht zu der herkömmlichen Steinbearbeitung mittels Hammer und Meißel. Zum Vergleich mit dem modernen Abbau: Dort wurde maschinell mittels rund einen Meter durchmessenden Trennscheiben Gestein abgebaut, die Schnitte sind jedoch nur rund zwei Zentimeter dick.
Obwohl nicht von der Hand zu weisen ist, dass hier und dort tatsächlich manuell Steine gebrochen wurden wenn auch die Zeitangabe zweihundert Jahre reine Fantasie sein dürfte , erscheint es recht unrealistisch, diesen alten „Steinbruch“ nur als solchen zu betrachten. Der daran anschließende moderne Steinbruch zeigt, wie man rational Steine abbaut, ohne schräge Wände und Verschachtelungen anlegen zu müssen. Ob es sich ursprünglich um eine Art sakralen Ort oder ähnliches handelt, weiß derzeit niemand. Im Zusammenhang zu der weitläufigen Anlage an der Küste Mallorcas stammen diese Steinbearbeitungen wohl ursprünglich aus einer vortalayotischen Zeit, als man noch Steine glatt bearbeiten konnte. In der darauf folgenden talayotischen Zeit hat man nur noch unbearbeitete Steinblöcke aufeinander geschichtet.
Im Zusammenhang mit der Mallorca-Steinbearbeitung muss es sich um eine technologisch höher stehenden Vorläufer-Kultur gehandelt haben, die vor der rekonstruierten Talayotzeit um -6000 bestand und zumindest Insel-übergreifend wirkte. Seltsamerweise hat sie keine weiteren Artefakte hinterlassen (oder man hat keine gefunden). Das könnte damit zusammenhängen, dass diese Kultur möglicherweise in einer größeren Katastrophe unterging.
Der neue Teil
Der zweite Teil des Steinbruchs wird durch den modernen Teil gebildet. Hier wurde das Gestein nicht manuell abgebaut, sondern man hat Maschinen dafür eingesetzt. Dadurch entstanden gerade hohe Steilwände und riesige Räume. Einige dieser Abbau-Maschinen stehen heute noch dort und rosten vor sich hin.
Der Verein Lithica bietet auch diverse Veranstaltungen an. Dabei dienen beispielsweise die großen geometrischen Räume, die durch den maschinellen Abbau entstanden sind, im Sommer als Amphitheater.
So kommen Sie hin:
Anfahrt ist von Mahon kommend in Richtung Ciutadella, beim ersten Kreisel in Richtung neuer Hafen/Cala`n Bosch/Cap D`Artrutx abbiegen. Dann den rosafarbenen Schildern Pedreres de s`Hostal folgen.
© 2014 Gernot L. Geise