Die nie gebaute NOVA

Was war mit der NOVA-Trägerrakete?

Für die Realisierung der bemannten Mondflüge wurden schon sehr früh Pläne gemacht, auch wenn es sich zum damaligen Zeitpunkt wohl mehr um Science-Fiction gehandelt haben dürfte. Wernher von Braun als führender Kopf der NASA gab dabei die hochfliegende Richtung vor, wobei er mit schöner Regelmäßigkeit wieder auf den harten Boden der Tatsachen zurück geholt wurde.

Sein Konzept für einen bemannten Mondflug, das er nicht nur in seinen Büchern vorstellte, sah zunächst den Bau einer ständig bemannten Raumstation vor. Dort sollten die einzeln in die Erdumlaufbahn gebrachten Teile einer Mondrakete zusammengebaut werden. Dieses Konzept war ohne Zweifel die technisch sicherste und eleganteste Lösung, zeigte jedoch gravierende Nachteile: Anfang der Sechzigerjahre waren die USA noch meilenweit davon entfernt, an die Installation einer Raumstation zu denken. Allein deren Realisierung hätte einige Jahrzehnte gedauert. Ein auf diese Weise geplanter Mondflug wäre zwar sicherer gewesen, hätte jedoch frühestens Anfang der Achtzigerjahre realisiert werden können. Das widersprach völlig den ehrgeizigen Vorgaben Präsident Kennedys.

Deshalb entwickelte von Braun das Konzept eines Direktfluges, dessen Durchführung im Vergleich zum ursprünglichen Konzept pro Flug jedoch ungleich teurer wurde. Ein Direktflug musste aus Gewichtsgründen mit leichtesten und abgespecktesten Geräten vorgenommen werden, da alle Komponenten mit einer einzigen Rakete ins All befördert werden mussten. Dazu benötigte die NASA natürlich gigantische Trägerraketen, die es noch nicht gab. Das Konzept eines von einer Raumstation zum Mond fliegenden Raumschiffs hatte ein massives Gerät vorgesehen, das (im Gegensatz zu den späteren APOLLO-Kapseln) auch einen Strahlenschutz vor der radioaktiven Strahlung im All geboten hätte.

Die Superrakete, die die Leistung eines Mond-Direktfluges vollbringen sollte, war die NOVA, etwa ein Drittel größer und stärker als die SATURN 5-Rakete, die später zum Einsatz kam. Hierzu wurden an mehrere Raumfahrtfirmen Ausschreibungen vergeben.

Die NOVA sollte in der Endversion mit einem einzigen Flug rund 227.000 kg Nutzlast in eine Erdumlaufbahn befördern können, die SATURN schaffte hingegen nur 91.000 bis 113.000 kg, also bestenfalls die Hälfte.

Im Juni 1962 entschloss sich die NASA aus zwei Gründen, der SATURN den Vorzug zu geben: Die Entwicklungszeit für die NOVA bis zum praktischen Einsatz hätte mindestens noch zwei Jahre gedauert und das NASA-Budget unmäßig belastet. Die SATURN war jedoch schon einsatzbereit, da sie eigentlich keine Neukonstruktion, sondern aus bereits vorhandenen Einheiten anderer Raketenmodelle zusammengesetzt war. In der NOVA sollten jedoch neu zu entwickelnde stärkere Motoren zum Einsatz kommen. Zunächst sollte dann bis zur Fertigstellung der NOVA zweigleisig weiter gearbeitet werden: Die Vorbereitungsflüge für APOLLO in die Erdumlaufbahn sollten mit der SATURN erfolgen, während der spätere eigentliche Mondflug der stärkeren NOVA vorbehalten bleiben sollte.

Die SATURN-Raketenreihe war so ausgelegt, dass mit der C1 eine „nackte“ APOLLO-Kapsel (ohne Service- und Kommandomodul) in eine erdnahe Umlaufbahn gebracht werden konnte. Um eine komplette APOLLO-Einheit mit Service- und Kommandomodul sowie der Mondlandefähre in die Erdumlaufbahn zu heben, wurde später die C5 eingesetzt.

Parallel zur Entwicklung der NOVA hatte die NASA einen Ausweichplan entwickelt, eventuell doch noch die SATURN für einen Mondflug einsetzen zu können, falls die NOVA nicht rechtzeitig fertig geworden wäre. Ein Flug zum Mond wäre mit der schwächeren SATURN jedoch nur möglich gewesen, wenn die NASA vor dem eigentlichen Mondflug mit einem weiteren SATURN-Start einen Tanksatelliten für eine Treibstoffübernahme in die Erdumlaufbahn gebracht hätte, da die Ladekapazität einer einzelnen SATURN-Rakete lt. Wernher von Braun zu schwach war.

Die Kostenprobleme brachten es mit sich, dass die Pläne zum Bau der NOVA nicht über die theoretische Phase hinaus kamen. Die Ungewissheit, ob der gesteckte Zeitrahmen bis zur Fertigstellung eines einsatzbereiten Systems einzuhalten gewesen wäre, ließ die NASA von den NOVA-Plänen Abstand nehmen und voll auf das schwächere SATURN-System setzen.

Spätestens hier müssen bei den Verantwortlichen erste Zweifel über die Machbarkeit eines bemannten Mondfluges aufgekommen sein, denn auch der benötigte Doppelstart wurde beim praktischen „Mondflug“ auf einen einzigen reduziert. Ein Auftankmanöver in der Erdumlaufbahn ist niemals geschehen, obwohl in der Testzeit vor dem Einsatz von APOLLO 8 mehrfach in der Erdumlaufbahn Koppelmanöver geübt worden waren. Die APOLLO-Kapseln mit dem angeflanschten Kommando- und Servicemodul sowie der Landefähre flogen jeweils ohne Aufzutanken in „Richtung Mond“.
Und als ob die NASA-Verantwortlichen übermütig geworden wären (da die Flüge in Wirklichkeit sowieso nicht zum Mond führten), wurde ab APOLLO 15 sogar noch ein Rover mit draufgepackt. Mit jedem Flug wurde die APOLLO-Nutzlast größer. Wirklich?
Ich zweifle daran, denn wenn nur eine bestimmte Schubkraft zur Verfügung steht, dann kann damit nicht immer mehr Nutzlast transportiert werden. Ich wage zu behaupten, dass bei jedem APOLLO-Flug nur die reine Kapsel mit dem nackten Servicemodul und einer abgespeckten Mondfähre in eine Erdumlaufbahn geschossen wurden. Diese Gewichtsmassen blieben zwangsläufig bei allen APOLLO-Flügen gleich. Da die angeblichen Mondaktivitäten auf der Erde stattfanden, wäre es unsinnig gewesen, auch noch einen Rover oder schwere Messgeräte in den Erdorbit zu befördern.

Bis in die Erdumlaufbahn hat die Leistung der SATURN C5 ausgereicht. Doch für einen Flug zum Mond und zurück war sie zu schwach dimensioniert. Warum merkt eigentlich niemand, wie die Weltöffentlichkeit hier „verschaukelt“ wurde?


Die NOVA-Trägerrakete (hier im Größenvergleich zum Freiburger Münster) sollte etwa ein Drittel größer als die SATURN 5 werden und für einen Direktflug zum Mond vorgesehen sein. Sie wurde nie gebaut.


© 2006 Gernot L. Geise


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