Auswirkungen der Funkverzögerung

Bei den Missionen 15 bis 17 waren vor dem Rückstart die Rover in entsprechender Entfernung vor den Mondfähren platziert worden, wobei die Videokameras auf die Fähren gerichtet waren, um den Rückstart filmen und übertragen zu können. Die Kameras wurden jeweils von der Erde aus ferngelenkt. So gibt es auch drei Videosequenzen, die den Rückstart der Retrokapsel zeigen.

Abgesehen davon, dass in den Filmen die Retrokapseln merkwürdigerweise ohne jeden Raketenantriebsstrahl wegfliegen, fällt beim Betrachten der Rückstartsequenz noch etwas ganz anderes auf: Es fehlt die Funkverzögerung zwischen Erde und Mond, durch die eine Kamera-Nachführung per Fernbedienung höchst problematisch gewesen sein muss. Da der Mond rund vierhunderttausend Kilometer von der Erde entfernt ist, muss allein die Funkverzögerung zwischen Erde und Mond bei rund zwei Sekunden gelegen haben, zu der noch eine weitere technisch bedingte Verzögerung von rund vier Sekunden kam, weil die Funkverbindung jeweils von Houston per Satellit über Australien (und zurück) verlief. Das heißt, dass die von der Erde ferngelenkte Kamera-Nachführung der startenden Retrokapsel in jedem Fall zu spät gekommen sein müsste, zumal es keinerlei Möglichkeit gab, über eine solche Distanz praktische Tests durchzuführen!
So ähnlich war es bei der Landung der Marssonden, die jeweils dem eingebauten Bordcomputer übertragen wurde, weil ein Funkbefehl von der Erde zum Mars zwanzig Minuten gedauert hätte. Für eine Reaktion in einer Notsituation wäre er auf jeden Fall zu spät gekommen.

Die APOLLO-Rückstart-Kapsel hätte also längst aus dem Bild verschwunden sein müssen, ehe der Kamera-Nachführbefehl von der Erde ankam. Die Filme zeigen jedoch einhellig, dass dem nicht so war. Selbst der erste Versuch (bei APOLLO 15) klappte hervorragend.

Die fehlende Funkverzögerung zeigt sich auch im Funkverkehr zwischen den Astronauten und dem Kontrollzentrum in Houston, wobei man den Eindruck hat, beide Parteien wären räumlich nur durch eine Wand getrennt. Besonders beim „Abstieg“ der Fähre von APOLLO 11 unterhalten sich Armstrong und die Techniker in Houston ohne jede Zeitverzögerung. Hinzu kommt natürlich noch, dass die Raketentriebwerke wohl geräuschlos waren, denn auch sie sind im Sprechfunk nicht zu hören.

Bei APOLLO 11 wurde beispielsweise bei der Direktübertragung nach dem Ausstieg US-Präsident Nixon in das Bild eingeblendet, der einige Grußworte an die Astronauten richtete. Er hatte kaum geendet, als Neil Armstrong antwortete „Thank you, Mr. President!“. Wäre Armstrong tatsächlich auf dem Mond gewesen, dann hätte er (aufgrund der Funkverzögerung) Nixon ins Wort fallen müssen, um so schnell antworten zu können.

Diese erwähnte Sechs-Sekunden-Verzögerung wurde von der NASA u. a. bei APOLLO 11 benötigt, um bei der „Direktübertragung“ kurzfristig eingreifen und gegebenenfalls die TV-Übertragung ganz unterbrechen zu können, wenn ein unvorhergesehenes Ereignis stattgefunden hätte, das nicht drehbuchkonform war. Dazu muss erwähnt werden, dass die von APOLLO kommenden Bildsignale nicht direkt nach Houston gesendet wurden. Da bei APOLLO 11 die NASA eine Bildfrequenz gewählt hatte, die nicht mit der amerikanischen TV-Norm übereinstimmt, wurde das APOLLO-Fernsehbild in der NASA-Station in Australien zunächst auf einem Monitor ausgegeben und von diesem mit einer Fernsehkamera abgefilmt.
Das abgefilmte Fernsehbild wurde per Satellit über Goldstone nach Houston in den dortigen Regieraum weitergeleitet. Hier entschied der verantwortliche Regisseur, ob und wo eventuell Schnitte vorgenommen werden mussten. Dabei hatte man die Möglichkeit, den Kontakt ganz zu unterbrechen oder einzelne Sequenzen (wenn etwa Requisiten ins Bild kamen, die nicht auftauchen durften) durch „Bildstörungen“ unkenntlich zu machen. Erst danach wurde das Bild auf die große Projektionswand im Kontrollzentrum in Houston und zu den angeschlossenen Fernsehsendern weitergegeben.

Dieser Fall trat offenbar ein, als sich beispielsweise Neil Armstrong (bzw. sein Schauspieler-Kollege, der ihn „auf der Mondoberfläche“, also in der präparierten NASA-Halle, darzustellen hatte) nicht an das vorgegebene Drehbuch hielt, das ihm den Satz vom „kleinen Schritt“ in den Mund legte. Dieser Spruch war vorher aufwendig durch Ausschreibungen ausgewählt worden, und nun verhaspelte sich Armstrong, indem er nur den ersten Teil einigermaßen fehlerfrei aussprach, während er den zweiten Teil unsinnig verstümmelte.
Da schnitt die NASA aufgrund ihres Sechs-Minuten-Spielraumes wohl kurzerhand Armstrongs Gestammel ganz heraus. Die Folge war, dass die Fernsehzuschauer zwar sahen, wie Armstrong (bzw. sein Schauspiel-Double) seine tapsigen Schritte um die Fähre machte, jedoch nicht den berühmten Spruch aufsagte, sondern davon redete, wie viele Inch er in den Staub einsinkt.
Deshalb konnte der deutsche Kommentator der ARD Büdeler bei der Direktübertragung 1969 noch anmerken, dass sich Armstrong an seine Aussage in der vorhergehenden Woche gehalten habe und keinerlei glorreiche Worte beim Ausstieg gesprochen habe.
Der Spruch vom „kleinen Schritt“ wurde von der NASA am nächsten Tag, fehlerfrei nachgesprochen, an die Presseagenturen nachgereicht und gilt seither als Ausspruch Armstrongs beim „Betreten des Mondes“. In spätere Filmsequenzen vom Ausstieg hat man diesen Spruch dann nachträglich einkopiert, was ja kein Problem darstellte, da die Gesichter der Astronauten nicht erkennbar waren.

(c) 2004 Gernot L. Geise


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