Die Nofretete-Büste muss zurück nach Ägypten!

Wir kennen inzwischen alle die Geschichte um die Auffindung dieser berühmten Büste durch den deutschen Ägyptologen Ludwig Borchardt.

Er buddelte seinerzeit in der damaligen Hauptstadt Amarna des „Ketzerkönigs“ Echnaton. Diese Stadt wurde nach dem Ende von Echnaton von den Nachfolge-Pharaonen bzw. den Priestern der unter Echnaton verbotenen Götter recht nachhaltig zerstört, was nicht sehr schwierig war. Amarna wurde überwiegend aus Lehmziegeln erbaut, weshalb es möglich war, diese Stadt in kürzester Zeit quasi aus dem Sand zu stampfen. Während ältere ägyptische Städte und Tempelanlagen fast ausschließlich aus massiven Steinblöcken errichtet wurden. Das war natürlich einerseits eine revolutionäre Bautechnik, denn Lehmziegel ließen (und lassen) sich relativ leicht in großen Mengen herstellen. Andererseits besitzen sie natürlich nicht die Haltbarkeit von Steinquadern.

Borchardt war also an Ausgrabungen in Amarna beteiligt, und ihm drohte das Geld dafür auszugehen, zumal seine Finanziers Erfolge sehen wollten, die jedoch ausblieben.

Eines Tages im Jahre 1912 war es dann soweit: Seine Leute räumten innerhalb der Grundmauern eines Hauses den Sand weg, und „zufällig“ kam dabei die Büste einer Frau ans Licht. Aufgrund ihrer Schönheit wurde sie sogleich als Darstellung der Königin Nofretete (Nefertiti, „Die Schöne ist gekommen“), Echnatons Frau, bezeichnet. Das Haus bzw. die Reste des Hauses, in welchem die Büste ans Tageslicht kam, bezeichnete dann Borchardt als Werkstätte eines Künstlers, der hier Statuen und ähnliches für Echnaton herstellte.

Damals gab es recht merkwürdige und kaum klare Verträge über die ausgegrabenen Artefakte, wie damit umzugehen sei. Ein Teil der Funde sollte dem (den) Ausgräber(n) zustehen, die anderen dem ägyptischen Staat. Heute muss man über diese Art der Fundteilung den Kopf schütteln, aber damals wurde es so gehandhabt.

Wenn es denn so stimmt, soll Borchardt sofort den Wert der fünfzig Zentimeter großen Büste erkannt und diese zunächst versteckt gehalten haben, bis sie unter einer falschen Bezeichnung in einer Kiste verpackt 1913 dann ins Deutsche Reich verbracht wurde.

Über die Echtheit der Nofretete-Büste wird allerdings bis heute getritten. Einerseits war sie die einzige Büste, die dort gefunden wurde, und dann gleich in dieser Perfektion. Alle anderen dortigen Fundgegenstände waren praktisch nur „Schrott“. Andererseits hält man Borchardt bis heute vor, dass die dargestellte „Nofretete“ keinesfalls den damals lebenden Frauen entsprochen habe, sie würde im Gegenteil eine Frau mit europäischem Aussehen darstellen. Hinzu kommt die Darstellung als solche: Ägyptische Funde von Büsten zeigen ausnahmslos die Schultern, die bei der Nofretete-Büste abgeschnitten sind, wie es damals in Europa üblich war.

Deshalb gibt es nicht wenige Kunstkenner, die der Meinung sind, Borchardt habe diese Büste bei einem Künstler in Auftrag gegeben und dann eigenhändig in Ägypten verbuddelt, um sie dort medienwirksam zu „entdecken“. Der Hintergrund sei der gewesen, dass er seinen Geldgebern gegenüber einen „Erfolg“ nachweisen musste, damit sie nicht den Geldhahn abdrehen.

Seltsam ist auch, dass Borchardt die­ Büste zunächst einmal einige Jahre bei sich zuhause aufbewahrte und bis 1924 der Öffentlichkeit vorenthielt.

Heutige Untersuchungen (u. a. durch Röntgen-Untersuchungen) ergaben, dass die Büste ursprünglich eine ältere Frau zeigt - und das war wohl die originale Büste -, über deren Kopf und Gesicht eine Gips- und Farbschicht aufgetragen wurde, aus der die bekannte Darstellung der Nofretete gearbeitet wurde.

Jetzt lässt sich spekulieren: Hat Borchardt die Original-Büste gefunden und auf eigene Kosten zu dem verändern lassen, wie sie heute aussieht? Wenn er für seine Geldgeber einen Nachweis gebraucht hätte, wäre dann nicht schon die originale Büste Nachweis genug gewesen? Man weiß natürlich nicht, woher die Original-Büste stammt. Vielleicht hat Borchardt hier etwas nachgeholfen und sie stammte gar nicht aus Amarna?

Heute befindet sich die berühmte Nofretete-Büste jedenfalls im Neuen Museum auf der Museumsinsel in Berlin und stellt dort das Glanzstück dar. Ob gefälscht oder nicht, die Büste ist ein Kunstwerk sondersgleichen!

Während im Ägyptischen Museum in Kairo nur eine schlechte Kopie der Büste steht, bemüht sich der Chef der ägyptischen Antikenverwaltung, Zahi Hawass, unermüdlich, sie wieder nach Ägypten zurück zu bekommen, und wenn auch nur als Leihgabe für einen begrenzten Zeitraum. Bisher aussichtslos, denn die Deutschen sind stur und wollen sie nicht wieder herausrücken, insbesondere der zuständige Kulturstaatsminister und CDU-Politiker Bernd Neumann. Unter anderem mit der fadenscheinigen Ausrede, beim Transport könne die kostbare Büste beschädigt werden. Ja hallo! Wie wurde sie denn nach Deutschland verbracht? In einer Holzkiste, mehr schlecht als recht eingepackt! Und wie hat die Büste die Kriegswirren des Zweiten Weltkrieges unbeschadet überstehen können? Doch heute soll es nicht möglich sein, trotz Styropor und anderen Verpackungsmaterialien, sie zu versenden, ohne dass sie Schaden nimmt? Wer das glauben will, zieht sich auch seine Hosen mit der Beißzange an! Nein, natürlich gibt es dabei auch Hintergedanken, nämlich, dass die Ägypter die Büste nicht mehr hergeben würden, wenn sie erst einmal in Kairo angelangt ist, was nach meinem Verständnis nachvollziehbar ist.

Es ist letztendlich egal, ob es sich bei der Büste der Nofretete um eine geschickte Fälschung oder um ein Original handelt. Die Büste gehört zurück nach Ägypten! Warum soll es nicht möglich sein, im Berliner Museum ein Replikat auszustellen? Seit Monaten gibt es in München eine Ausstellung „Tut-ench-Amun“, die unglaublich gut besucht wird. Das Besondere daran: In dieser Ausstellung ist kein einziges Original enthalten, alle ausgestellten Teile sind Replikate, was die Menschen jedoch überhaupt nicht stört. Warum soll es nicht möglich sein, in Berlin eine Kopie der Nofretete-Büste herzustellen und diese auszustellen? Die Techniken, eine echt aussehende Kopie herzustellen, sind heute derart ausgereift, dass eine Kopie kaum noch vom Original zu unterscheiden ist. Die Kopie würde auf jeden Fall wesentlich echter aussehen als die schlechte Kopie inKairo.

Ägypten ist seit mehr als hundert Jahren von allen möglichen Leuten, die sich hochtrabend Ägyptologen nannten, regelrecht ausgeplündert worden. Es gibt auf der Welt kaum ein Museum, das keine ägyptischen Artefakte enthält. Erst mit Zahi Hawass hat die Ausplünderung ein Ende genommen, und Hawass reist unbeirrt um die Welt von Museum zu Museum, um die im Laufe der Zeit gestohlenen ägyptischen Artefakte nach Ägypten zurück zu holen. Wenigstens versucht er es, auch wenn nicht immer mit Erfolg.

In den nächsten Jahren soll das Neue Ägyptische Museum in Kairo neben den Pyramiden fertiggestellt sein, es soll das größte Museum der Welt werden, wenn man der Werbung glauben will. Zumindest wird es ganz erheblich größer als das alte Ägyptische Museum werden. Die Untergeschosse sind bereits fertiggestellt. Darin befinden sich hochmoderne klimatisierte Etagen mit kilometerlangen Panzerschrankwänden, in denen zukünftig die heute noch in den Kellerräumen des alten Ägyptischen Museums verstaubenden und vermodernden Exponate sachgerecht untergebracht werden sollen.

Auch in den oberen Etagen, die sich derzeit noch im Bau befinden, wird den Besuchern ein Vielfaches an Ausstellungsstücken gezeigt werden können, im Vergleich zum alten Museum, das bereits seit Jahrzehnten aus allen Nähten platzt.

Deshalb wird es Zeit, zur Eröffnung des neuen Ägyptischen Museums die Büste der Nofretete wieder dorthin zu geben, wohin sie gehört, nach Ägypten! Deutschland hat sich lange genug daran erfreuen können. Letztendlich wäre die Rückgabe ein Akt der Völkerfreundschaft! 


© 2009 Gernot L. Geise, veröffentlicht im SYNESIS-Magazin Nr. 6/2009