Die Pyramiden von El Fayoum

Die recht große Oase El Fayoum (Fayyum, Faiyum) liegt rund hundert Kilometer südlich von Kairo entfernt. Der Name heißt so viel wie „1000 Tage“. Hier befinden sich zwei sogenannte Lehmziegel-Pyramiden, die aus der Zeit der 12. Dynastie (etwa -2000 bis -1900) stammen.

Die Hawara-Pyramide

Die Hawara-Pyramide liegt etwa am westlichen Rande von El Fayoum. Bei diesem Bauwerk handelt es sich um eine sogenannte Lehmziegel-Pyramide. Es ist die zweite von Pharao Amenemhet III. (12. Dynastie) errichtete Pyramide („Amenemhet lebt“) und liegt nördlich der Ortschaft Hauwaret el-Maqta. Die Lehmziegel bestehen aus etwa 17 x 25 cm großen Blöcken. Die Verkleidung verbirgt das Innere der Pyramide, das (von innen nach außen) zunächst aus einem Granitkern bestehen soll, um den eine Schicht aus Kalksandstein errichtet sei, die dann mit den Lehmziegeln verblendet wurde.

Die Pyramide hat eine Seitenlänge von 105 Metern, eine Neigung von 48° 45´ und hatte eine Höhe von 58 Metern. Heute ist sie noch rund zwanzig Meter hoch. Die Lehmziegel-Verblendung hat im Laufe der Jahrhunderte stark gelitten, weshalb die Pyramide auch ziemlich verfallen aussieht.

Interessant an der Sache ist, dass sich der Zugang nicht wie sonst üblich auf der Nordseite, sondern an der westlichen Seite der Südfassade befindet. Man kann einige Meter den abschüssigen etwa zwei Meter hohen Gang entlang gehen, der mit flachen Treppenstufen versehen ist. Ab da stehen der Rest des Ganges sowie eventuelle Räumlichkeiten unter Wasser, das wohl aus dem nahebei verlaufenden Nil-Kanal stammt. Die Wände des Ganges sind übersät mit Salpeter-Ausschwitzungen.

Von dem Gang aus soll eine Treppe etwa vierzig Meter in die Tiefe führen und in eine kleine Kammer münden, von der ein weiterer kurzer Gang abgehe, der als Sackgasse ende. Im oberen Teil dieser Sackgasse verberge sich der Eingang zu einer weiteren Passage, die von einer 20 t schweren Granitsperre blockiert werden soll. Hinter dieser befinde sich eine weitere Kammer, von der zwei Gänge abzweigen würden. Der erste Gang führe direkt Richtung Norden und ende in Wasser und Schlamm. Der zweite Gang führe nach Osten in Richtung Zentrum der Pyramide und ende in einer weiteren Kammer. Wiederum in der Decke verborgen und mit einem Fallstein versehen biege der Gang nun wieder nach Norden ab. In der Nordost-Ecke folge die gleiche Konstruktion noch einmal, allerdings sei hier der Gang durch die Sperre verschlossen worden. Hinter dieser Sperre gehe es weiter zur Vorkammer, in deren Südwand eine Vertiefung zur eigentlichen Grabkammer führe.

Zwischen dem Eingang des Pyramidenbezirks und der Pyramide befand sich einst ein Totentempel, der einmalig gewesen sein soll. Der griechische Geograf Strabon (-63 bis -20) hat ihn ausführlich beschrieben und als Weltwunder gepriesen. Er verglich die über 1500 Räume mit dem Labyrinth des Minos. Seit der Römerzeit diente der Totentempel jedoch als Steinbruch, sodass heute nur noch die Fundamente zu erkennen sind, die von einer polnisch-ägyptischen Forschungsgruppe ausgegraben wurden.

Im Umfeld der Pyramide befinden sich recht viele Grabstätten. Teilweise liegen recht makaber menschliche Knochen und Schädel auf und im Sand.

Es muss, glaube ich, nicht extra erwähnt werden, dass man für den Eintritt in den Pyramidenbezirk Eintritt bezahlen muss. Weiterhin halten die mitgegebenen Führer bzw. Polizisten bereitwillig ihre Hände für Bakschischs auf, was in Ägypten nicht verwundern sollte.

Die Al Lahun-Pyramide

Auch diese Pyramide liegt am Rande von El Fayoum, etwas südlicher als die Hawara-Pyramide. Bei diesem Bauwerk handelt es sich ebenfalls um eine sogenannte Lehmziegel-Pyramide mit 106 Metern Seitenlänge und einem Böschungswinkel von 42°35’. Die ehemalige Höhe soll bei 48,60 Meter gelegen haben. Die Lehm- oder Erdziegel haben mit etwa 15 x 30 cm dieselbe Größe wie die der Hawara-Pyramide. Die Al Lahun-Pyramide hat ein Volumen von 185.655 Kubikmeter und besitzt ein Kalksandstein-Skelett. Der Kern der Pyramide soll aus einem vierstufigen Stumpf aus Kalksandstein bestehen, der mit einem Kalksteinrahmen versehen wurde, gebildet aus quer und radial liegenden Mauern. Die so gebildeten Hohlräume dieses Steinskeletts wurden mit Lehmziegeln verfüllt. Die heutige Außenverkleidung sowie die Spitze des Bauwerks wurden dann ebenso aus Lehmziegeln hergestellt. Angeblich soll auf der Lehmziegelverkleidung noch eine weitere Schicht aus Kalksandsteinen aufgebracht gewesen sein, die natürlich angeblich von Steinräubern abgetragen wurde. Jedenfalls sind davon heute keinerlei Reste mehr erkennbar.

Die Pyramide wird dem Pharao Sesostris II. aus der 12. Dynastie zugeschrieben, ihr Name lautete „Sesostris erscheint“. Dieser Pharao soll die Kultivierung der Sümpfe des Fayoum-Beckens vorangetrieben haben.

Ein Eingang befindet sich westlich versetzt auf der Südseite, ist allerdings inzwischen verschüttet, sodass das Innere der Pyramide nicht betreten werden kann. Zwei Schächte sollen dort durch einen horizontalen Gang miteinander verbunden sein, der zu einer Halle mit einer Gewölbedecke führt. Am Ostende dieser Halle soll ein senkrechter Schacht in die Tiefe führen, der im Grundwasser ende.

Von der Halle aus soll ein ansteigender Korridor über eine weitere Kammer in den Südost-Bereich des Pyramideninneren zu einer Vorkammer führen, die rechtwinklig abzweigend zur eigentlichen Grabkammer führt. Die Grabkammer sei komplett mit Granit ausgekleidet und habe ein Giebeldach. An ihrem Westende stehe der Sarkophag des Königs aus Rosengranit, eine kleine Passage führe in einen Nebenraum. Hier soll Petrie im Schutt Teile der Grabausstattung gefunden haben, vor allem einen königlichen Uräus aus Gold, der das Stirnband des Herrschers schmückte und von den antiken Grabräubern wohl verloren wurde.

Eine weitere Besonderheit sei ein umlaufender Gang, der zwischen Vorkammer und Grabkammer abzweige, rund um die Grabkammer führe und am Kopfende des Sarkophags in diese münde. Die Bedeutung dieses Ganges sei unter den Ägyptologen noch strittig. Ob das alles so stimmt, lässt sich heute nicht nachprüfen, weil die gesamte inneren Anlage geflutet ist.

Auf der Südseite gibt es mehrere Möglichkeiten, in die Unterwelt einzudringen. Schräg abwärts verlaufende Schächte, die nur unzureichend bearbeitet worden sind, zwingen den Besucher teilweise auf dem Bauch im Sand rutschend in kleine, leere Kammern zu gelangen, die ebenfalls nur roh in den Fels geschlagen wurden.

Rings um die Pyramide befinden sich Gräber, u. a. auch von Angehörigen des Pharao, sowie einige recht tiefe Schächte, deren Boden man nur erahnen kann. Neben den Schachtgräbern zweier Prinzessinnen lokalisierte man bei der Suche nach dem Pyramidenzugang an der Nordseite acht Mastaba-Gräber, die jeweils mit Schlammziegeln um einen Kalksteinkern herum errichtet waren, die heute allerdings nicht mehr vorhanden sind. An der Nordost-Ecke befindet sich eine kleine zusammengefallene Nebenpyramide mit einem Basismaß von 27,6 m und einer ehemaligen Höhe von etwa 18 Metern. Bis heute ist es allerdings unklar, ob es sich um eine Königinnen- oder Kultpyramide gehandelt hat.


© 2010 Gernot L. Geise, veröffentlicht im SYNESIS-Magazin Nr. 3/2010