Die Pyramiden von Dahshur

Es ist noch längst nicht alles erklärbar!

Die „Rote Pyramide“: Eine Schwester der Cheopspyramide?

Die so genannte Rote Pyramide von Dahshur wird auch „Dahshur-Nord“-Pyramide genannt. Aufgrund „nicht ganz zwingender Beweise“ [Peter Tompkins] wird sie, wie auch die rund 1,5 Kilometer südlich gelegene so genannte Knickpyramide dem Pharao Snofru zugeordnet. Bis vor kurzer Zeit lag sie in einem militärischen Sperrbezirk und war demgemäß für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Auch heute noch liegen in der Umgebung militärische Anlagen, die durch Zäune gesichert sind. Bewaffnete Soldaten sind überall präsent, allerdings sind sie gegenüber Touristen ausnehmend freundlich und zeigen bereitwillig die um die Pyramide befindlichen kläglichen Überreste von Satellitenpyramiden und Tempelanlagen. Natürlich erwarten sie dafür ein Bakschisch, was in Ägypten jedoch selbstverständlich ist.

Interessanterweise ist die Rote Pyramide neben den Gizeh-Pyramiden die einzige ägyptische Pyramide, die als „perfekte“ Pyramide gebaut wurde. Der Böschungswinkel ist im Vergleich zu den Gizeh-Pyramiden allerdings etwas flacher (43° 22‘, Cheopspyramide: rund 52°). Ein Unterschied besteht auch in der Größe des verwendeten Baumaterials. Während im Inneren durchaus wie in der Cheopspyramide die gleichen riesigen Granit-Megalithsteine verbaut wurden, hat man für die Außenverkleidung kleinere Steinblöcke verwendet. Da die Pyramide (wie auch die „Knickpyramide) auch vom Gizeh-Plateau aus erkennbar ist, könnte durchaus ein Zusammenhang zwischen ihnen bestehen.

Die Bezeichnung „Rote Pyramide“ stammt nicht etwa von dem äußeren erkennbaren Baumaterial, es besteht aus demselben ockerbeigen Sandstein wie die Umgebung. Aus der Nähe betrachtet zeigt dieses Gestein einen erschreckenden Erosions-Verfall. Eine ehemals vorhanden gewesene Verkleidung fehlt heute, nur an verschiedenen Stellen sind noch wenige Teile davon erhalten. Die Bezeichnung „Rote“ wurde wohl von rotem Gestein abgeleitet, das verschiedentlich im Inneren der Pyramide verbaut wurde, und das man stellenweise in der Decke des abwärts führenden Ganges sehen kann. Dieser Gang mit einem Gefälle von rund 28° und einer Länge von rund 65 Metern (also fast zwanzig Meter länger als der aufsteigende Gang in der Cheopspyramide) ist mit einem Durchmesser von knapp einem Quadratmeter ebenso mühselig über ein hühnerleiterähnliches Gerüst zu begehen wie der aufsteigende Gang der Cheopspyramide. Zum Glück hat man in unserer Zeit links und rechts einen Handlauf befestigt, sonst wäre der Abstieg ein Himmelfahrtskommando.

Mit einer Kantenlänge von rund 220 Metern und einer Höhe von 105 Metern braucht sich die „Rote“ wahrlich nicht hinter der Cheopspyramide (rund 230 Meter Kantenlänge, rund 146 Meter Höhe) zu verstecken.

Das Innere

Der Zugang  in die Pyramide erfolgt in 28 Metern Höhe auf der Nordseite direkt in den abwärts führenden Gang. Im Gegensatz zur Cheopspyramide sind hier keinerlei Fall- oder Verschlusssteine eingebaut.

Nachdem man endlich das untere Ende des abwärts führenden Ganges erreicht hat, befindet man sich in einem rund drei Meter langen Korridor und gelangt durch einen rund einen Quadratmeter durchmessenden Durchgang in eine so genannte Vorkammer. Daran schließt sich durch einen ebenso niedrigen Durchgang eine weitere „Vorkammer“ an. Beide haben dieselben Maße, rund vier mal acht Meter bei einer Höhe von rund zwölf Metern und beeindruckende Kraggewölbe, die somit rund drei Meter höher sind als das Kraggewölbe in der „Großen Galerie“ der Cheopspyramide und auch wesentlich perfekter wirken.

Die „Grabkammer“

Der Zugang zur so genannten Grabkammer, die mit rund fünfzehn Metern Höhe bei etwa der gleichen Grundfläche der größte der Räume ist, liegt in der zweiten „Vorkammer“ in rund acht Metern Höhe der Südwand. Erreichbar ist dieser Durchgang über ein dort aufgestelltes Holzgerüst mit Treppenstufen.  Wenn es sich hierbei wirklich um eine ehemalige Grabkammer gehandelt haben sollte, fragt man sich, warum der Zugang ohne Aufgang in acht Metern Höhe angelegt wurde, was für eine Beisetzung doch recht beschwerlich gewesen sein müsste.

Auch die „Grabkammer“ besitzt ein eindrucksvolles Kraggewölbe, allerdings - und auch deshalb frage ich mich, warum dies eine Grabkammer gewesen sein soll - sind die Wände nur bis in halber Höhe glatt bearbeitet. Der untere Teil des Raumes sieht aus wie ein Trümmerfeld voller nur unvollkommen behauener großer Steinblöcke, die wahllos durcheinander liegen. Ob hier irgendwelche Grabräuber einen ehemals vorhanden gewesenen Fußboden aufgesprengt haben, weil sie darunter irgendwelche Schätze vermuteten, oder ob dieser Raum niemals fertiggestellt wurde, lässt sich nicht feststellen. Durch Sprengungen müssten allerdings die (unvollkommen behauenen) Steinblöcke zerbrochen worden sein, und das sind sie nicht. Jedenfalls ist dieser Raum derart stark mit Ammoniak-ähnlichen Gerüchen versetzt, dass dem Besucher schon nach wenigen Minuten die Augen anfangen zu tränen und Atemnot einsetzt. Merkwürdigerweise ist diese Geruchsbelästigung schon in dem kurzen Zugang zur „Grabkammer“ nicht mehr riechbar. Eine Quelle für diese Belästigung ist nicht auszumachen, wird aber ganz offensichtlich durch eine chemische Reaktion ausgelöst.

Angeblich hat man in der Grabkammer die Fragmente menschlicher Überreste gefunden, allerdings ist nicht bekannt, von wem sie stammen. Wenn es sich hierbei um eine offizielle Beisetzung gehandelt haben sollte, dann hat der Tote recht unwürdig zwischen den Steinblöcken gelegen. Deshalb ist es eher vorstellbar, dass sich jemand (ein Grabräuber?) hier hinein verirrt hat, eventuell nur mit einer Fackel versehen, und nach dem Übergang zur „Grabkammer“ unglücklicherweise das Gleichgewicht verlor und (immerhin acht Meter) zwischen die Steinblöcke fiel. Dabei kann sich auch ein trainierter Mensch Knochen brechen. Ohne Hilfsmittel die glatten Wände zum Durchgang hinauf zu klettern ist ein Ding der Unmöglichkeit. Hinzu kommt hier die Belästigung durch den Gestank, sodass man die „Grabkammer“ eigentlich als perfekte „Menschenfalle“ bezeichnen könnte.

Wie in den großen Gizeh-Pyramiden kam in der „Roten Pyramide“  dieselbe Bauweise zur Anwendung: Megalithische Granitsteinblöcke, die sauber verarbeitet wurden und millimetergenau eingepasst sind. Hier wurden sogar Steinquader „um die Ecke“ bearbeitet, wie es im Chephren-Taltempel in Gizeh angewendet wurde, während dieses Steinbearbeitungsmerkmal in der Cheopspyramide nicht anzutreffen ist.

Keinerlei Verzierungen, Inschriften oder andere Hinweise auf die Erbauer sind auf den glatt bearbeiteten Wänden vorhanden. Nur die dummen Touristen haben sich wieder mal überall verewigt.

Im Gegensatz zu den Gizeh-Pyramiden ist die Luftqualität - abgesehen von der „Grabkammer“ - hervorragend. Während die Luftfeuchtigkeit im Inneren der Gizeh-Pyramiden trotz gemäßigter Temperaturen sehr hoch ist und Schweißausbrüche hervorruft, sind die Luftverhältnisse in der „Roten Pyramide“ direkt angenehm, wohl auch wegen der irgendwo installierten Absaugvorrichtung, deren dicke Plastikschläuche durch den abwärts führenden Gang in die einzelnen Räume führen.

Um die Pyramide befand sich einst eine Mauer und eine kleine Tempelanlage an der Ostseite. Die Mauer ist heute verschwunden, der „Totentempel“ in seinen Grundmauern rekonstruiert. Das rekonstruierte Pyramidion steht heute inmitten des Tempelhofes. Ein Aufweg zum Taltempel scheint nie gebaut worden zu sein, oder er wurde nur oberflächlich errichtet und ist anschließend wieder verschwunden. Bezüglich des Aufweges hat es bisher auch keine systematischen Grabungen gegeben.

Die Knickpyramide von Dahshur

Die so genannte „rhomboidale“ oder Knickpyramide wird - wie die „Rote“ - dem Pharao Snofru zugeschrieben. Die Ägyptologen vertreten die Meinung, dass es sich hierbei um den ersten Versuch gehandelt habe, eine „echte“ Pyramide zu bauen, nachdem Snofru die Stufenpyramide in Meidum errichtet hatte. „Es war die Zeit des großen Experimentierens“, sagt der US-Ägyptologe Mark Lehner, und als Außenstehender kann man über diese Aussage nur den Kopf schütteln. Da steht ein Steinkoloss mit einer Basislänge von 188 Metern und einer Höhe von 105 Metern in der Wüste, und für Lehner wurde hier nur experimentiert. Das hängt mit der Annahme der Ägyptologen zusammen, die „Knickpyramide“ sei ursprünglich in einem zu steilen Winkel geplant gewesen. Der Neigungswinkel bis zum „Knick“ beträgt rund 54°, ist also nur minimal steiler als bei der Cheopspyramide. Angeblich habe man dann Bedenken bekommen, dass die Außenfassade unter dem großen Gewicht nachgeben und abrutschen könne, weshalb man den oberen Teil mit einem flacheren Winkel von rund 43° vollendete. Betrachtet man sich die Pyramide vor Ort und sieht die unten abgetragenen Teile der Verkleidung, stellt man fest, dass die ägyptologische Deutung reiner Humbug ist. Die „Knickpyramide“ wurde so gebaut, wie sie geplant war, ohne zu experimentieren.

Eine massive Pyramide zu erbauen, aus zum großen Teil tonnenschweren Steinblöcken, ist keine Spielerei wie mit Legosteinchen, die man beliebig hin und her setzen kann. Bei solch großen Giganten muss vorher, nicht im Nachhinein, eine genaue Logistik stehen. Es muss geradezu alles im Voraus feststehen, vom Böschungswinkel über die genaue Position jedes Steinblockes, die Dicke der einzelnen Lagen, Innenräume, Auf- und Abwege usw. usw. Das hängt schlicht und einfach mit den Gewichten zusammen, mit denen hantiert werden muss. Und man darf den Baumeistern der Pyramiden durchaus unterstellen, dass sie wussten, was sie taten, und dass sie auch mit den Gewichtsproblemen zurecht kamen.

An der „Knickpyramide“ sind insbesondere in den Eckbereichen im Laufe der Zeit große Mengen des Baumaterials abgetragen worden. Hier stehen einige höhere Steinlagen teilweise abenteuerlich weit über, ohne unter ihrem Gewicht abzurutschen oder zusammenzubrechen. Wenn also wirklich die Gefahr bestanden hätte, dass die Außenverkleidung instabil werden würde, dann wären diese Teile schon längst abgerutscht.

Wenn man vor der „Knickpyramide“ steht, erkennt man sofort, warum der „Knick“ eingebaut wurde. Durch diesen Kunstgriff wurde einerseits von Weitem das Bild einer Pyramide erhalten, andererseits erscheint die „Knickpyramide“ aus der Nähe gesehen wie ein rechteckiger Bau, vergleichbar mit einer überdimensionalen Mastaba, denn die Spitze entschwindet aus dem Blickfeld. Das war kein Experiment, sondern von Anfang an so geplant!

Das Innere

Die Pyramide hat im Gegensatz zu den meisten anderen zwei Zugänge, auf der Nord- und auf der Westseite, jeweils etwa in Höhe des Knicks. Von dort aus führen zwei enge Abwege (Westpassage 65 Meter lang, Nordpassage 74 Meter Länge) ins Innere. Die Nordpassage mündet in eine enge „Vorkammer“ mit eindrucksvoll überkragtem Dach. Die „Grabkammer“  mit ebenfalls überkragtem Dach liegt höher und wurde möglicherweise von der „Vorkammer“ aus über eine Leiter erreicht.

Die Westpassage verläuft durch Fallblockiersysteme zu einer weiteren „Grabkammer“ mit verkragter Decke. Diese liegt noch höher als die andere „Grabkammer“. Ob es hier Stabilitätsprobleme gab, weil die Kammer mit Balken und einem großen Gerüst aus dicken Zedernstämmen abgestützt war? Oder hat man nur vergessen, diese nach Baubeendigung zu entfernen?

In späterer Zeit wurde nachträglich ein Verbindungsgang zwischen den beiden „Grabkammern“ durch das Mauerwerk geschlagen.

Der Pyramidenkomplex

An der Ostseite der Pyramide befinden sich Reste einer Art Kapelle oder eines Totentempels, deren Grundmauern freigelegt worden sind. Teilweise hat man auch versucht, verschiedene Details zu rekonstruieren.

In Höhe der Südseitenmitte der Pyramide steht eine rund 32 Meter hohe Nebenpyramide ohne Verkleidungssteine. Auch hier erkennt man den hohen Verwitterungszustand. Die Kammer im Inneren, die man durch eine ab- und aufsteigende Passage erreichen kann, ist für eine Bestattung zu klein, weshalb die Ägyptologen annehmen, dass hier nur eine rituelle Bestattung vorgenommen wurde. Allerdings ist man sich nicht so recht sicher, für wen diese Nebenpyramide vorgesehen war. An der Ostseite der Nebenpyramide befand sich eine Opferstätte mit zwei Stelen, die Snofrus Namen trugen.


© 2006 Gernot L. Geise, veröffentlicht in EFODON-SYNESIS Nr. 4/2006