Besonderheiten der Chephren-Pyramide

Über die Gizeh-Pyramiden ist schon viel Papier beschrieben worden. Doch im Prinzip liest man in allen Büchern mehr oder weniger immer dasselbe. Dabei unterscheiden sich die großen beiden Pyramiden durchaus in verschiedenen Dingen, obwohl sie äußerlich auf den ersten Blick gleich aussehen (vom Rest der Außenverkleidung an der Spitze der Chephren-Pyramide einmal abgesehen).

Während die Cheopspyramide im Inneren ein relativ kompliziertes System von mehreren „Grabkammern“, Gängen, Schächten und anderen Räumlichkeiten aufweist, wurden die beiden bekannten Kammern in der Chephren-Pyramide in die Fels­oberfläche des Gizeh-Plateaus angelegt, und darauf ein ganzer Berg mit Megalith-Steinblöcken aufgetürmt. Das ist es wenigstens, was uns die Ägyptologen sagen. Mir selbst erscheint es in höchstem Maße unlogisch, einen solch großen Steinberg aufzubauen, ohne darin irgendwelche „geheimnisvolle“ Kammern unterzubringen, zumal Untersuchungen mittels moderner Gerätschaften durchaus im Inneren der Chephren-Pyramide so genannte „Anomalien“ festgestellt hatten, die jedoch von offizieller Seite nicht kommentiert werden. Nach den Ägyptologen besteht ja auch bis heute kein Zweifel daran, dass die Cheopspyramide von einem Pharao Cheops und die Chephren-Pyramide von dessen Sohn, dem Pharao Chephren, errichtet wurden. Das heißt, dass sie in pharaonischer Zeit erbaut worden sein sollen.

Abgesehen davon, dass es sowohl im Inneren als auch außen keinerlei Hinweise darauf gibt, wer die gigantischen Pyramiden erbaut hat (die Kartuschen in den Überlastungskammern der Cheopspyramide können nicht als Beweis dienen, wenn sie der Engländer Vyse, der sich seinerzeit den Zugang freigesprengt hat, selbst aufgemalt hat), sind pharaonische Tempel- und Grabanlagen ganz allgemein für ihre verschwenderische Pracht bekannt. Und die fehlt hier bekanntermaßen völlig.

Die Pharaonen hatten jedoch noch eine andere Vorliebe. Aufgrund der schon damals florierenden Grabräuberei verstanden sie (bzw. ihre begabten Baumeister) es, Gräber und Räumlichkeiten so gut zu tarnen und zu verstecken, dass einige bis heute unentdeckt blieben. Und ausgerechnet in der Chephren-Pyramide, die neben der Cheopspyramide schon von weitem gut sichtbar da steht und sich geradezu anbot, dort versteckte Kammern einzubauen, soll dergleichen unterlassen worden sein?

Wie ich schon erwähnte, unterscheiden sich die beiden großen Pyramiden auch in anderen Dingen. Während die Cheopspyramide von der ersten Steinlage an bis zur Spitze aus relativ gleich großen Steinblöcken besteht, macht die Chephren-Pyramide eine Ausnahme. In den unteren Lagen kann man nämlich heute noch erkennen, dass hier Steinklötze mit einer Länge bis zu rund zwanzig Metern bei der „Standardhöhe“ von knapp zwei Metern verbaut wurden. Diese Klötze (oder Platten?) wiegen zwangsläufig ein Vielfaches der sowieso schon tonnenschweren „normalen“ Steinblöcke. Es stellt sich immer wieder die Frage: Wie haben die Erbauer der Pyramiden diese Blöcke transportiert? Denn es war ja nicht damit getan, dass sie zur Baustelle geschafft wurden, sie wurden ja zusätzlich noch millime­tergenau eingepasst, auch wenn davon aufgrund der jahrtausendelangen Verwitterung heute nicht mehr allzu viel zu sehen ist. Über die überaus genaue Einpassung der einzelnen Steinblöcke und -platten im Umfeld werde ich in einer weiteren Betrachtung später berichten.

Das Innere der Chephren-Pyramide unterscheidet sich ebenfalls von dem der Cheopspyramide. Während in der Cheopspyramide am Aufgang, an der Großen Galerie und in den „Grabkammern“ zu bewundern ist, wie millimetergenau die glatt polierten Granitblöcke eingepasst sind, ist in der Chephren-Pyramide nichts von irgendwelchen Steinblöcken zu sehen, mit Ausnahme der Decke der „Grabkammer“ und dem Abweg aus dem höher gelegenen zweiten Zugang, der heute für Touristen gesperrt ist. Die Gänge und Kammern sind direkt in den Felsboden gehauen worden, man kann die groben Meißelspuren noch gut erkennen. Die Wände sind auch in der „Grabkammer“ nur unzureichend geglättet, im Vergleich zum Inneren der Cheopspyramide. Hinzu kommt, dass verschiedentlich zu unsaubere Bearbeitungen offenbar mit Mörtel verputzt worden sind. Wenn schon, dann hätte man damals doch gleich die „Grabkammer“ komplett verputzen können, mit einem schönen glatten Aussehen, zu Ehren des Pharaos. Das hat man allerdings unterlassen. Und es ist wohl kaum anzunehmen, dass irgendwelche Grabräuber den Verputz abgekratzt haben sollen.

Während in der Cheopspyramide der Granitsarkophag frei in der „Königskammer“ steht (und, wie beim Vergleich mit älteren Fotos erkennbar, schon mehrfach verschoben worden ist), steht der Granitsarkophag in der Chephren-Pyramide in einer Vertiefung, einge­rahmt von weiteren Granitblöcken, die allerdings glatt bearbeitet sind.

In der Cheopspyramide fehlt der Deckel des Sarkophags, in der Chephren-Pyramide ist er noch vorhanden und liegt, gestützt von ein paar Holzbalken, halb schräg auf dem Sarkophag, sodass man in das leere Innere des Sarkophags schauen kann.

Beiden Sarkophagen ist gemeinsam, dass sie aufgrund ihrer Größe nicht durch das Gangsystem passen und demgemäß schon beim Bau der Pyramiden mit eingebaut worden sein müssen.

Während die Cheopspyramide über ein relativ kompliziertes Gangsystem verfügt, das mit Verschluss- und Fallsteinen versehen ist, fehlen in der Chephren-Pyramide Verschlusssteine völlig. Die Auf- und Abgänge wären aufgrund der rauen Bearbeitung der Wände auch nicht dazu geeignet gewesen, hier irgendwelche Verschlusssteine hinab rutschen zu lassen, wie es bei der Cheopspyramide der Fall ist.

Das und die kaum gesicherten beiden Zugänge (heute ist nur der untere zu betreten) der Pyramide lässt den Verdacht aufkommen, dass die beiden unterirdischen Räume und die beiden Gänge nur ein Ablenkungsmanöver waren, um Grabräuber (und Ägyptologen) auf eine falsche Spur zu locken.

Betrachte ich die beiden großen Pyramiden mit offenen Augen, so ist die Chephren-Pyramide zwar in der Größe der Cheopspyramide gleichwertig, im (bekannten) Inneren zeigt sie jedoch im Vergleich zur Cheopspyramide Primitivität. Wie verträgt sich das wiederum mit den riesigen verbauten Steinpfeilern der unteren Lagen?

Beide Pyramiden weisen noch weitere Eigenarten auf, die übrigens auch für fast alle anderen ägyptischen Pyramiden mehr oder weniger zutrifft: Die Außenverkleidung fehlt, und die verbauten Steinblöcke scheinen so, wie sie im jeweiligen Steinbruch abgebaut wurden, vor Ort wieder aufgebaut worden zu sein, was an Block-übergreifenden Steinstrukturen gut erkennbar ist. Auf dieses Phänomen werde ich später genauer eingehen. Dabei weist die Chephren-Pyramide an ihrer Spitze noch einen Rest der Verkleidung aus Rosenquarz auf (nicht etwa Kalkstein, wie immer wieder behauptet wird).

Angeblich wurden die Verkleidungssteine der drei Gizeh-Pyramiden von Steinräubern geraubt, um damit Kairo oder zumindest einige Moscheen zu erbauen. Nur finden sich merkwürdigerweise in Kairo keinerlei Reste davon. Und wie verhält es sich bei den anderen bekannten Pyramiden, die ausnahmslos (vielleicht mit Ausnahme der „Knickpyramide“ in Dahshur) ihrer Außenhaut beraubt sind? Waren hier allüberall Steinräuber am Werk? Warum - wenn es denn so gewesen sein sollte - haben sich die Steinräuber nicht erst einmal der Steinblöcke bedient, die um die Pyramiden am Boden herum lagen, ehe sie daran gingen, halsbrecherische Klettereien an den Pyramidenflanken zu unternehmen und sich der Gefahr aussetzten, durch herabstürzende Steinblöcke erschlagen zu werden?

Die These der organisierten Steinräuberei im großen Stil halte ich für ziemlich an den Haaren herbei gezogen, was nicht ausschließen soll, dass tatsächlich hier und dort ein Stein für eigene Baumaßnahmen entwendet worden ist. Denn wenn wirklich größere Mengen Steinblöcke für neue Baumaßnahmen (Moscheen, Paläste o. ä.) gebraucht worden wären, dann wäre man den einfachsten Weg gegangen und hätte zunächst das am einfachsten greifbare Material verwendet, und das sind nunmal die herum liegenden Blöcke oder auch die der ebenerdigen Tempelanlagen. Man vergleiche ruhig mit unseren mittelalterlichen Burgen, die nach der Vertreibung der jeweiligen Burgherren auch vielfach von der Umgebungsbevölkerung geschleift wurden. Sicher wurden auch hier Mauern und Burganlagen zum Einsturz gebracht, ehe sie Stein für Stein abtransportiert wurden, aber immer nach dem einfachsten System. Zuerst hat man die herumliegenden Steine weggeschafft.

Ohne Verkleidungssteine der jahrtausendelangen Erosion ausgesetzt, sehen die freiliegenden Kalksandsteine der Kernblöcke heute recht übel aus. Die (rekonstruierten) Verkleidungssteine am Fuß der Cheopspyramide bestehen aus Kalksandstein, und allein die Kritzeleien der Touristen zeigen, wie wenig widerstandsfähig Kalksandstein ist, um als Verkleidung, die Jahrtausende halten sollte, gedient zu haben. (Außerdem hätten potenzielle Steinräuber diese zuerst weggeschafft). Wenn man von normaler Verwitterung durch Wind, Sandsturm und Wetter ausgeht und sich den Zustand des freiliegenden Kernmauerwerks ansieht, kann man sich etwa vorstellen, wie Verkleidungssteine aus demselben Material heute aussehen würden. Aber glaubt man den Ägyptologen, sollen die Pyramidenverkleidungen ja aus einem wesentlich weicheren Material bestanden haben: aus Kalkstein. Das müsste im Vergleich zum Zustand der freiliegenden Sandsteinblöcke jedoch inzwischen völlig zerbröselt sein.

Wie schon in den Neunzigerjahren der Steinfachmann Dieter Vogl in seiner EFODON-Dokumentation „Das Baumaterial der Cheopspyramide“ nachgewiesen hat, ist eine Pyramiden-Kalksteinverkleidung bautechnisch eine völlige Unmöglichkeit, weil sich Kalkstein aufgrund seiner weichen Struktur absolut nicht dazu eignet. Die Steinblöcke hätten sich nach kurzer Zeit unter dem auf ihnen lastenden Gewicht verformt und wären dann regelrecht zerbröselt. Und selbst wenn es so gewesen wäre, hätte sich der Kalkstein nach wenigen Jahren verfärbt und wäre nachgedunkelt, womit die Schönheit einer weiß leuchtenden Pyramide vorbei gewesen wäre. Dazu dann der riesige Aufwand? Und letztendlich hat es bis zum heutigen Tag in ganz Ägypten nirgendwo weißen Kalkstein gegeben (relativ hellen Sandstein schon).

Wieso fehlen also die Verkleidungen der großen Pyramiden (und auch anderer)? Die Chephren-Pyramide muss zumindest im unteren Bereich einst mit Granitblöcken verkleidet gewesen sein, ebenso wie die Mykerinos-Pyramide, denn diese liegen in recht großer Anzahl um die Pyramide verstreut herum. Dass sich an diesen Blöcken Steinräuber zu schaffen gemacht haben, erkennt man an den oftmals vergeblichen Versuchen, durch Einkerbungen den Granit in handlichere Stücke zu zerteilen. In der Tat ist die Menge der Granitblöcke mit vergeblichen Zerteilungseinkerbungen relativ groß, sodass Zweifel aufkommen müssen, ob die einstige Verkleidungsschicht der Pyramiden wirklich von Steinräubern entfernt wurde, wenn diese nicht einmal in der Lage waren, die gebrochenen bzw. von der Pyramide entfernten Blöcke in handliche Stücke zu zerteilen. Hier spielt nämlich wieder mit hinein, dass die verbauten Steinblöcke millimetergenau zusammenpassten. Wenn schon keine Stecknadel zwischen die Steinblöcke passte, dann schon gar nicht ein Hebel, um sie loszubrechen. Es muss also durchaus ein gewaltiger Arbeitsaufwand gewesen sein, eine Bresche in die Verkleidung zu brechen, nur um Steine abbauen zu können, die man ohne einen solchen Aufwand am Fuß der Pyramiden nur einzusammeln brauchte. Das wäre zwar mit Sprengstoff möglich, aber den hatten die „Steinräuber“ ja nicht.

Es ist eigentlich nur eine einzige Erklärung für die fehlende Außenverkleidung stichhaltig: Es muss zu einer Zeit, als die Pyramiden fertig verkleidet mitsamt ihren Tempelanlagen im Wüstensand standen, eine Großkatastrophe passiert sein. Ein Einschlag eines größeren Himmelskörpers in einen der Ozeane, der eine weltweite Superflut erzeugte, die die Kontinente überschwemmte und dabei alles mitriss, was nicht „niet- und nagelfest“ war. Dafür sprechen auch die aus der Satellitenperspektive gut erkennbaren ehemaligen Wasserläufe in jeder Größenordnung, die vor Ort am Boden längst nicht mehr erkennbar sind, weil sie durch den Flugsand der Sahara zugeweht wurden.

Eine solche Flutwelle, wenn sie nur groß genug ist, reißt auch Tempelanlagen, die aus megalithischen, tonnenschweren Steinblöcken erbaut sind, problemlos um und erzeugt die typischen Auswaschungen an den Blöcken. Wobei die sichtbaren Auswaschungen nicht etwa durch das Wasser stattfanden, sondern durch das im Wasser mitgeführte Material: Baumstämme, Felsbrocken, Schwemmsand usw. Und eine solche Flutwelle ist auch problemlos in der Lage, die Verkleidung einer Pyramide, die letztendlich nur auf dem Kernmauerwerk aufliegt, regelrecht abzuschälen und zu zerbröseln, sofern es sich um ein weiches Gestein (etwa Kalksandstein) handelte. Mit keiner anderen Zerstörungsmethode, etwa Erdbeben oder Sandstürme, sind solche Zerstörungen wie dort sichtbar schlüssig zu erklären.

Anhand der noch erhaltenen Verkleidungssteine an der Spitze der Chephren-Pyramide könnte man sich vorstellen, wie hoch einst die Flutwellen gewesen sein müssen. 


© 2007 Gernot L. Geise, veröffentlicht im SYNESIS-Magazin Nr. 6/2007